Als ich vor etwa vier Wochen meine Noten des letzten Semester bekam, hab ich mich gefreut wie ein Maienkäfer: Endlich hatte ich meinen Bachelor im Sack. Nach dem Bestehen aller Prüfungen und Arbeiten gab’s noch eine Hürde zu nehmen: Die Uni St. Gallen verschickt keine Diplome per Post. Ausnahmen: Keine.
Also startete ich am Samstagmorgen um halb Vier Uhr Royce und fuhr los nach London Gatwick, flog nach Zürich, verbrachte einen schönen Tag mit meinen Eltern am Bodensee, schüttelte dem Rektor an der Diplomfeier die Hand und nahm mein Couvert entgegen. Obwohl ich mich ärgerte so weit zu reisen, freute ich mich dann doch die dreineinhalb Jahre Arbeit mit einer Zeremonie zu beenden.
Noch mehr freute ich mich allerdings meine Familie zu sehen. Am nächsten Tag war der ganze Vogelschwarm auf dem Menzberg oben. Seit schon fast zwei Monaten dreht sich in solchen Momenten bei Vogels alles um Amelie, die Tochter meiner Schwester Lucia. Jeder will sie möglichst lang in den Armen halten oder versucht ihr ein Lachen zu entlocken. Amelie schaut während dem ganzen Zirkus immer aufmerksam aber ruhig in die Runde. Ich frage mich, ob sie uns Erwachsene nicht heimlich auslacht für all das Rumgeblödele.
Wenn sie es tut, wird sie sich später wahrscheinlich nicht erinnern. Deshalb habe ich mich den ganzen Sonntag im Rumblödelspiel engagiert. Da ich nur einen Tag zu Gast war, gestand mir meine Familie überproportional viel Rumtragezeit zu. Ich verbrachte den halben Sonntagnachmittag damit Amelie rumzutragen, Grimassen zu schneiden, ihren Bauch zu kraulen und infantile Geräusche zu machen und was sonst so zu den Pflichten eines Onkels gehört.
Leider oder zum Glück (es ist an beiden Orten so schön) ging’s schon am Abend mit einer Tasche vollgestopft mit Schoggi und einer Espressokanne (endlich!) zurück nach Canterbury.
